Zwar habe China in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in Mittel- und Osteuropa (MOE) sein Beziehungsnetzwerk ausgebaut und damit im Westen für Diskussionen gesorgt. Doch die USA seien neben der euro-atlantischen Gemeinschaft auch mit wichtigen Regionen Asiens verbunden – „darunter einige, die für China von entscheidender Bedeutung sind“, so Kapitonenko. Diese Entwicklung stelle auch die MOE-Länder vor schwierige Entscheidungen. Einerseits sei China für sie „ausgesprochen attraktiv“, doch nicht um jeden Preis: „Wenn sie dafür aber die Gefahr in Kauf nehmen müssen, dass ihre Beziehungen zu den USA zersetzt werden, fällt die Einschätzung schon anders aus.“ Um in Mittel- und Osteuropa Partnerschaften zu knüpfen, werde die Volksrepublik mehr Aufwand betreiben müssen. Doch Chinas Bereitschaft, seine Märkte zu öffnen, sei nicht besonders ausgeprägt. Da die Biden-Regierung den zukünftigen „ideologischen Frontverlauf“ bereits deutlicher abgesteckt habe, könne das Weiße Haus den Vorsprung beim „Ringen um Verbündete“ jetzt ausbauen und Chinas Optionsspielraum dadurch weiter einengen.

Anmerkung der Redaktion

Nickolay Kapitonenko ist außerordentlicher Professor am Institut für Internationale Beziehungen an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kiew und Direktor des Zentrums für Studien der Internationalen Beziehungen. Das Zentrum für Studien der Internationalen Beziehungen ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich auf regionale Sicherheitsstudien und die Außenpolitik der Ukraine spezialisiert hat. 2012 gewann Kapitonenko den ukrainischen Wissenschaftspreis. INTERNATIONALE POLITIK UND GESELLSCHAFT (IPG) ist ein Fachmagazin zu internationaler und europäischer Politik, das von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegeben wird. Die IPG wurde bis 2011 als vierteljährliches Magazin herausgegeben, derzeit wird sie als reine Online-Zeitschrift weitergeführt.

Es ginge vor allem um den Schutz wirtschaftlicher Ziele, denn diese seien in der langen Geschichte Chinas immer wieder gefährdet gewesen. Nicht zuletzt die Chinesische Mauer zeuge davon, dass sich das Land gegen Invasoren und Barbaren schützen wollte. Auch Chinas Vorgehen in Asien beschreibt Müller als „defensive Einflussnahme“, die lediglich dazu diene, das regionale Umfeld präventiv zu kontrollieren. „Daraus aber einen aggressiven chinesischen Imperialismus zu konstruieren, geht an den Realitäten vorbei“, wendet Müller ein. China habe bislang keine Versuche unternommen, sich Länder in anderen Erdteilen wirtschaftlich, politisch oder militärisch gefügig zu machen. Auch der Militärstützpunkt im afrikanischen Djibouti diene „westlichen Analysen zufolge allein dem Schutz chinesischer Handelsschiffe vor der Piraterie am Eingang zum Roten Meer“. Laut Müller sind Einheit und Souveränität „Kernbestandteile der chinesischen Erzählung“. Dass diese „angesichts der zunehmend offenen Feindschaft der USA und des Westens gegenüber China auch nationalistisch aufgeladen wird, kann niemanden verwundern“, findet er.

Anmerkung der Redaktion

Wolfgang Müller hat sich als Berater zum Thema China selbstständig gemacht. Er studierte Sozialwissenschaften in Göttingen und Konstanz und arbeitete 14 Jahre lang für die Industriegewerkschaft IG Metall. Zu Beginn der chinesischen Reformpolitik 1978 lebte er mehrere Jahre lang in China, woraufhin er begann, im Westen über die chinesische Kultur und Politik zu schreiben. Mittlerweile berät er Unternehmen in Punkto China und gibt Vorträge über das Leben in China. Er ist Autor des Buches „Die Rätsel Chinas – Wiederaufstieg einer Weltmacht“. ND (ehemals NEUES DEUTSCHLAND) ist eine überregionale Tageszeitung, die einen „Journalismus von links“ vertreten möchte. Zu DDR-Zeiten war sie das publizistische Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und gehörte nach der Wende der Partei PDS. Deren Nachfolgepartei DIE LINKE besitzt auch heute noch 50 Prozent der Anteile an der Zeitung, plant aber, sich Ende 2021 zurückziehen. Wie DIE ZEIT und NDR berichten, steht eine Neuaufstellung als Genossenschaft im Raum. Die Gewerkschaft ver.di kritisiert die ungeklärte berufliche Zukunft der rund 100 Beschäftigten. ND beschreibt sich selbst als Tageszeitung, „die mit linkem Ideengut über den Tellerrand des journalistischen Alltags hinausdenkt“ und führte den Untertitel „sozialistische Tageszeitung“. Die Konrad-Adenauer-Stiftung bescheinigt der Zeitung eine einseitige Berichterstattung: Marktwirtschaft sei „Kapitalismus“, westliche Außenpolitik „Imperialismus“. Außerdem sei der ND DDR-nostalgisch.

Peking habe zu lange auf finanzielle Repressionen gesetzt, um billige Kredite für Investitionen in Infrastruktur und Industrie bereitzustellen. Zinssätze seien künstlich niedrig gehalten worden und China habe durch Kontrollen sichergestellt, dass kein Kapital in ausländische Finanzmärkte fließt. Dieses System sei den heutigen Herausforderungen – etwa der schrumpfenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und der damit einhergehenden sinkenden Sparquote – nicht gewachsen. Wenn sich der Rückgang der Sparquote in China fortsetze, könne auch weniger investiert werden. Um dieses Defizit auszugleichen, müsse China ausländischen Investoren einen besseren Zugang zu seinen Finanzmärkten schaffen. Dass der Renminbi sich zu einer globalen Währung entwickelt, glaubt Heep nicht. Nur wenn die Kommunistische Partei einen Weg der wirtschaftlichen und politischen Liberalisierung einschlage, habe sie Chancen, China zu einem globalen Finanzzentrum zu machen. „Aber solange die Partei die wirtschaftliche Effizienz der politischen Kontrolle unterordnet, wird China nicht in der Lage sein, die Dominanz der USA im globalen Finanzsystem herauszufordern“, so Heep.

Anmerkung der Redaktion

Sandra Heep ist Professorin für Chinesische Wirtschaft und Gesellschaft an der Hochschule Bremen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Chinas Rolle im globalen Finanzwesen, Chinas politische Wirtschaft und die offizielle Ideologie der Kommunistischen Partei Chinas. Sie lebte zwei Jahre in China und spricht fließend Mandarin. Nach ihrem Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Psychologie in Bonn und Berlin arbeitete sie unter anderem als Chefin einer Forschungsgruppe im Mercator Research Institute for China Studies und als leitende Politikberaterin im Finanzministerium. Sie schrieb das Buch „China in Global Finance: Domestic Financial Repression and International Financial Power“. THE DIPLOMAT ist ein in Washington D.C. ansässiges Online-Magazin, das sich mit politischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungen in der Asien-Pazifik-Region beschäftigt. Das Magazin gehört der Trans Asia Inc, einem Unternehmen mit Sitz in Tokio, das internationale Übersetzungen in asiatische Sprachen unterstützt.