Ein Blick in die Geschichte beweise, dass Arbeitszeitverkürzungen häufig nur dem Kapitalismus dienen. Als Bosch 1906 als eines der ersten deutschen Unternehmen den Acht-Stunden-Tag eingeführt habe, sei es keineswegs darum gegangen, die Beschäftigten glücklicher zu machen. „Sondern um Profitsteigerung“, moniert Friedrich. Robert Bosch habe möglichst hohe Leistungen bei „möglichst geringer Inanspruchnahme der geistigen und körperlichen Kräfte“ zu erzielen versucht. Auch der Kampf der Gewerkschaften um die 35-Stunden-Woche habe zu dessen Ende im Jahr 1984 vor allem den Unternehmen gedient: Die reduzierte Arbeitszeit sei gleichzeitig mit weit mehr Flexibilisierungen und Arbeitsverdichtung einhergegangen. „Selbst die Samstags- und Wochenend-Arbeitszeit nahm in der Folge zu“, so Friedrich. Auch heute bliebe der zentrale Maßstab für eine Arbeitszeitverkürzung wohl die Frage danach, ob die Beschäftigten dadurch ihre Produktivität steigern können – „um dieselbe Arbeit in weniger Zeit zu erledigen“, kritisiert er.

Anmerkung der Redaktion

Sebastian Friedrich (*1985) ist studierter Sozialwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist und Autor für den FREITAG, die WOZ oder die JUNGE WELT. Friedrich hat sein Volontariat beim NDR absolviert, wo er laut Berichten etwa der TAZ oder von NEUES DEUTSCHLAND von rechten Medien attackiert wurde. “Die rechten Medien stempeln ihn nun zu einem „Linksextremisten“ und zu einem „Hardcore-Kommunisten“ ab“, schreibt die TAZ. Als Redakteur der linken Monatszeitung ANALYSE UND KRITIK gehörte Friedrich zu einer Gruppe von Journalist*innen, denen beim G-20-Gipfel 2017 die Akkreditierung entzogen wurde. Das Verwaltungsgericht Berlin erklärte dies zwei Jahre später für unrechtmäßig. DER FREITAG ist eine überregionale deutsche Wochenzeitung, die nach der Wende aus dem Ost-Berliner Sonntag, der DKP-nahen „Deutschen Volkszeitung“ und der Monatszeitschrift „Die Tat“ hervorgegangen ist. Ziel der Gründer war es damals, mit ihrer Zeitung das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten zu begleiten und ein Forum für die Ost-West-Debatte zu bieten. Seit 2008 gehört DER FREITAG dem SPIEGEL-Erben Jakob Augstein. EUROTOPICS ordnet die Wochenzeitung in ihrer Grundhaltung als linksliberal ein, auch DER FREITAG wirbt selbst damit, seine „Leserschaft mit seinen Qualitäten als linksliberale Wochenzeitung“ zu begeistern. Herausgeber Augstein, sowie TAGESSPIEGEL und TAZ sprechen hingegen von einer dezidiert „linken Zeitung“. Kontrovers wurde innerhalb der Redaktion und Leserschaft die Entscheidung diskutiert, 2017 den ehemaligen CDU-Abgeordneten und umstrittenen Publizisten Jürgen Todenhöfer zum Herausgeber der Zeitung zu ernennen, was dazu geführt hat, dass er die Zeitung bereits 2018 wieder verlassen hat. DER FREITAG hatte zuletzt eine verkaufte Auflage von gut 25.000 Exemplaren (Stand 07/21).

Die Narrative, dass einige Wenige sich auf der Arbeit der Anderen ausruhen, wurde in den letzten Jahren häufig von Politiker*innen gebraucht, meint der Journalist: „Es gibt immer Stimmen in der Politik, die über die ‚Schmarotzer‘ und ‚Drückeberger‘ herziehen.“ Jahrelang sei von der Politik erzählt worden, dass zu wenig Arbeiten bestraft werden müsse. „Wie könnte man da eine Politik verfolgen, die besagt, dass weniger Arbeit eine gute Sache ist?“, fragt McDuff. McDuff hält die Vier-Tage-Woche daher für politisch nicht mehrheitsfähig, solange sich die gesellschaftlichen Stereotypen nicht änderten. Als Beispiel für sein Argument nennt er die britische Unterhauswahl 2019. Die britische Labour-Partei hatte damals die Vier-Tage-Woche in ihrem Programm. Sie verloren die Wahl. Weil viele Menschen aus der Mittelklasse dieses neue Modell nicht mit ihrem Arbeitsethos für vereinbar hielten, sagt McDuff: „Die britische Gesellschaft hat eine übermäßig ausgeprägte Abneigung gegen den Gedanken, dass jemand irgendwo etwas bekommen könnte, was sie oder er nicht verdient hat.“ Solange dieser Gedanke vorherrsche, bleibe die Einführung einer Vier-Tage-Woche unmöglich.

Anmerkung der Redaktion

Phil McDuff ist ein freiberuflicher britischer Journalist. Seine Schwerpunkte liegen in der Berichterstattung über Wirtschaft und Sozialpolitik. Auf seinem Twitter-Account spricht sich McDuff häufig gegen Antisemitismus und Islamophobie aus. Er schrieb unter anderem für THE INDEPENDENT, THE GUARDIAN und den NEW SOCIALIST. THE INDEPENDENT ist eine 1986 gegründet Tageszeitung mit Sitz in London, die seit 2016 nur noch online erscheint. Die Zeitung will nach eigener Aussage eine progressive Haltung zur europäischen Zusammenarbeit, zur Stärkung der Demokratie und zum Schutz von Menschenrechten einnehmen. THE GUARDIAN bescheinigt der Zeitung einen neoliberalen Kurs, der bereits seit ihrer Gründung bis heute bestehe. Seit den 80er Jahren habe die Zeitung „Thatcherismus“, einen konservativen Wirtschaftsliberalismus mit Sozialabbau, an den Tag gelegt, sei aber auf Grund der besseren Vermarktbarkeit zu einem linksliberaleren Kurs in gesellschaftspolitischen Themen umgeschwenkt. Insbesondere im Wirtschaftsressort nehme die Zeitung aber weiter neoliberale Standpunkte ein.

Die Balance zwischen Arbeit und Privatleben halten zu können, sei individuell verschieden und nicht pauschal an der Arbeitszeit messbar. Außerdem müsse die Möglichkeit bleiben sich im Zweifelsfall für ein höheres Gehalt und gegen mehr Freizeit entscheiden zu können. Dies sei mit dem Modell einer Vier-Tage-Woche nicht möglich, da sich in vier Tagen eben weniger schaffen lasse als in fünf. Fratzscher wendet sich damit explizit auch gegen die Ergebnisse einer Studie aus Island, die festgestellt hatte, dass sich das Wohlbefinden von Arbeitnehmer*innen mit einer Reduzierung ihrer Arbeitszeit „drastisch verbessert“ hat. Fratzscher hält dem entgegen, dass diese Ergebnisse sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen lassen. Denn in Deutschland hätten wir ohnehin schon so viele Feier- und Urlaubstage wie in kaum einem anderen Land. Wir sollten uns also nicht auf dieses eine Modell versteifen, sondern die Augen für andere Optionen offen behalten. Individuell angepasste Arbeitszeiten und ein Recht auf die Rückkehr in Vollzeit hält Fratzscher für sinnvoller: „Vielen Frauen wäre geholfen, wenn es bessere Kinder­betreuung geben würde – sowohl in Kitas, als auch in Schulen.“ Auch die Option im Home Office arbeiten zu dürfen, solle diskutiert werden.

Anmerkung der Redaktion

Marcel Fratzscher ist Ökonom und Präsident des Deutschen Institus für Wirtschaftsforschung (DIW). Er ist außerdem Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor hat er für die Europäische Zentralbank gearbeitet und dort auch die Abteilung International Policy Analysis geleitet, die dafür zuständig ist, Politikpositionen der Europäischen Zentralbank über internationale Themen zu formulieren. Beim HANDELSBLATT-Ökonomen-Ranking 2011 wurde Fratzscher auf dem vierten Platz gelistet. 2016 wurde er in der FAZ-Rangliste der einflussreichsten Ökonomen in Deutschland in den Top 10 gelistet. Felix Franke ist ein deutscher Journalist und seit Oktober 2019 Referent für Journalistische Nachwuchsförderung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Davor war der studierte Germanist, Historiker, Wirtschaftsrecht- und Rechtswissenschaftler für knapp drei Jahre als Referent der Justitiarin (2017-2020) und für knapp vier Jahre (2012-2017) als Redakteur beim RBB angestellt. Hier hatte er bereits von 2008-2012 als Praktikant bzw. freier Mitarbeiter mitgewirkt. Franke absolvierte ebenfalls diverse Praktika bei verschiedenen TV-Sendern, u.a. beim ZDF, N24 und Sat1 und hat als Redakteur bei POTSDAM TV gearbeitet. Sein Volontariat fand bei der ELECTRONIC MEDIA SCHOOL statt. Das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND (RND) ist eine 2013 gegründete überregionale Nachrichtenplattform der Madsack Mediengruppe. Der RND ist das Ergebnis von Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen bei Lokalzeitungen: Der RND verkauft sein Angebot von überregionalen Nachrichten unter anderem an lokale Tageszeitungen wie die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG, die MÄRKISCHE ALLGEMEINE oder die OSTSEE-ZEITUNG. Die Madsack Mediengruppe gehört zu 23 Prozent der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG), die die Medienbeteiligungen der SPD verwaltet.